Viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens Knieprobleme. Diese beeinträchtigen den Alltag und reduzieren die Lebensqualität. Liegt kein offensichtliches Trauma vor und bleibt das Knie beweglich, kann man ruhig 6 Wochen abwarten. Falls nötig, kann man einige Wochen Naproxen oder Diclofenac einnehmen.
Aber was, wenn die Knieschmerzen nicht verschwinden?
Es ist immer ratsam, vor Beginn spezieller Behandlungen eine gute Diagnose zu haben. In Spanien wird oft schnell ein MRT oder Ultraschall durchgeführt, doch über 35 Jahre ist es besser, zunächst ein belastetes (stehendes) Röntgen des Knies in zwei Ebenen (anterior-posterior und seitlich) anzufertigen. Mit diesem Röntgen können alle drei Kniekompartimente beurteilt werden, und eine Gelenkspaltverschmälerung ist leicht erkennbar.
Osteoarthritis entspricht dem spanischen Begriff „artrosis“ und wird in 4 Grade eingeteilt: von leichter Verschmälerung (Grad 1) bis vollständigem Kontakt „Knochen auf Knochen“ (Grad 4). Diese Röntgenaufnahmen sollten mit einer körperlichen Untersuchung durch einen orthopädischen Knie-Spezialisten kombiniert werden.
Fehlen im Röntgen Zeichen für Arthrose, kann der Verdacht auf Meniskus- oder Bandverletzungen bestehen. In diesem Fall wird ein MRT empfohlen, wiederum nach vorheriger klinischer Untersuchung.
Konservative Behandlung
Ihr Orthopäde gibt allgemeine Empfehlungen, wie das Training der Quadrizepsmuskulatur, Gewichtsreduktion, Änderung der (Sport-)Aktivitäten und die Nutzung von Schmerzmitteln an „schlechten“ Tagen. Ein Physiotherapeut kann bei vielen dieser Maßnahmen unterstützen.
Auch bei einem Meniskusriss ohne Verschiebung oder Blockierungsbeschwerden ist es besser, zunächst 6 Monate konservativ zu behandeln. Eine bekannte Studie aus dem Jahr 2013 im New England Journal of Medicine (Sihvonen et al.) rät bei degenerativen medialen Meniskusrissen im Alter von 35-65 Jahren von einer Teilmeniskusentfernung ab. Zudem kann eine teilweise Entfernung die Kniearthrose beschleunigen. Eine Kniearthroskopie ist nur bei akuten mechanischen Rissen im jüngeren Alter und ohne Arthroseanzeichen indiziert.
Was tun, wenn die konservative Behandlung nicht ausreicht?
Der nächste Schritt könnte eine Kortisonspritze ins Knie sein. Diese lindert Schmerzen meist für die ersten 6 Wochen, kann jedoch den Blutzucker regulieren und Hitzewallungen verursachen. Außerdem ist Kortison schlecht für die Knorpelqualität, wenn es mehr als 2–3 Mal jährlich gespritzt wird. Alternativ gibt es Injektionen mit Hyaluronsäure oder plättchenreichem Plasma (PRP). Die Studienlage zu letzteren beiden ist gemischt: Hyaluronsäure wirkt laut einigen Studien 6–12 Monate, andere finden keinen Unterschied. Für PRP gilt Ähnliches, der Effekt hält tendenziell länger an, jedoch nicht bei allen Patienten. Eine neue Therapie ist die Infiltration mit autologer Proteinsuspension (APS, N-Stride); bei 85 % der Patienten mit leichter Kniearthrose hält die Schmerzreduktion 3 Jahre an! In den nächsten Jahren sind weitere Forschungen zu Infiltrationen zu erwarten, aber aktuell lohnt sich der Versuch, um eine Operation hinauszuzögern.
Und bei Grad 3 oder 4 der Kniearthrose?
Besprechen Sie mit Ihrem Orthopäden alle bisher ausprobierten Therapien. War es möglich, die Operation hinauszuzögern? Wie ist Ihr Allgemeinzustand? Haben Sie Hüftprobleme? Schmerzen in der Nacht? Wie lang ist Ihre maximale schmerzfreie Gehstrecke?
Eventuell könnte eine Ersatzoperation der nächste Schritt sein. Idealerweise ist dann ein „kleinerer“ teilweiser Kniegelenkersatz möglich, wenn nur ein Kompartiment betroffen ist. Ansonsten ist die vollständige Knieprothese erste Wahl.
Heutzutage erfolgt die Operation mit einer Übernachtung im Krankenhaus, voller Belastung 4 Stunden nach der OP und Gehen mit einer Krücke nach 2 Wochen.
Wichtig: Die Haltbarkeit von Knieprothesen liegt heute bei über 95 % nach 15 Jahren, und der Mythos, eine Knieprothese könne nicht revidiert werden, ist falsch. Insbesondere eine Teilprothese kann problemlos zu einer Totalprothese umgebaut werden.
Die wichtigste Botschaft lautet: Alles beginnt mit einer guten Diagnose durch einen orthopädischen Knie-Spezialisten.
Bis bald in der Compass Clinic Marbella, Dr. Joris van der Lugt
Literatur
Arthroskopische partielle Meniskektomie versus Scheinoperation bei degenerativem Meniskusriss (Raine Sihvonen et al.), N Engl J Med 2013 Dec 26;369(26):2515-24.
Chirurgische Behandlung degenerativer Meniskusläsionen: Der ESSKA-Meniskuskonsensus 2016 (Ph. Beaufils et al.), Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017 Feb;25(2):335-346.
Intraartikuläres Kortikosteroid bei Kniearthrose (Peter Jüni et al.), Cochrane Database Syst Rev 2015 Oct 22;2015(10):CD005328.
Plättchenreiches Plasma versus Hyaluronsäure in der Behandlung der Kniearthrose: Meta-Analyse (Jia Zhu Tang et al.), J Orthop Surg Res 2020 Sep 11;15(1):403.
Injektionen mit autologer Proteinsuspension zur Behandlung der Kniearthrose: 3-Jahres-Ergebnisse (Elizaveta Kon et al.), Am J Sports Med 2020 Sep;48(11):2703-2710.
Ergebnisse nach Gelenkersatz 2003 bis 2020 (Ben-Shlomo Y et al.), The National Joint Registry 18th Annual Report 2021 London